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Warum Online-Shopper professioneller einkaufen als Großunternehmen und was sich daran ändern sollte

Wenn Sie als Privatperson den Kauf eines neuen Geschirrspülers planen, sind die Schritte bis zum Erwerb ziemlich klar. Zuerst überlegen Sie sich, welche Eigenschaften das Produkt haben soll. Sie recherchieren kurz online, vergleichen einzelne Angebote und entscheiden sich dann für ein Produkt.

Ein ähnlicher Prozess läuft täglich auch in Unternehmen ab. Dabei ist jedoch festzustellen, dass wenn es um Professional Services geht, es oft weder strukturiert noch standardisiert und erst recht nicht digital vonstatten geht. Das Ergebnis einer 2019 von APADUA durchgeführten Umfrage zeigt: Für einen effizienten Einkauf von Professional Services gibt es für viele Unternehmen noch erhebliches Verbesserungspotenzial.

Abb. 1: Einsatz digitaler Werkzeuge bei der Beschaffung von Professional Services 2019

Dies gilt für den gesamten Prozess von Bedarfsspezifikation, über Anbieterauswahl und Angebotsvergleich, bis hin zur Auftragserteilung und kontinuierliche Leistungsüberwachung.

Diese Nachlässigkeit hat fatale Folgen: Die Kundenzufriedenheit mit Beratungsprojekten liegt bei erschütternden 38%. Die Erfolgsquote von Beratungsprojekten liegt also nur marginal höher als beim Münzwurf. Das ist, wenn man ehrlich ist, keine besonders gute Aussicht.

Abb. 2: Kundenzufriedenheit mit dem Ergebnis von Beratungsprojekten 2018

Warum ist das so? Anstatt eigene Prozesse zu hinterfragen, zeigen Auftraggeber schnell mit dem Finger auf ihre Dienstleister, in diesem Fall die Unternehmensberater. Fehlende Kompetenz, hohe Kosten oder schlechter „Personal Fit” werden dann als Ursache gescheiterter Projekte genannt.

Der Gesamtschaden liegt in Deutschland jährlich bei knapp 12 Milliarden EUR. Viele Unternehmen haben aber das Potenzial der Digitalisierung der eigenen Einkaufsprozesse erkannt und steuern diesem Trend entgegen. Im „Digital Procurement Survey 2019“ zeigt PwC, dass der Digitalisierung des Einkaufs eine hohe Priorität eingeräumt wird. Nichtsdestotrotz mangelt fehlt es aber vor allem an Wissen um geeignete Instrumente, um die notwendige Maßnahmen durchzusetzen.

Abb. 3: Prioritäten in der Beschaffung 2019

Es ist so einfach wie es klingt: Bei der Umsetzung können wir uns stark an Prozessen orientieren, die heute fast jeder Verbraucher beim Online-Shopping durchläuft. Stellen wir also den Einkauf von Professional Services dem Online-Shopping gegenüber.

Das Geschirrspüler-Problem

Am Anfang des Einkaufsprozesses steht ein Bedarf. Ein schlecht beschriebener Bedarf führt meist zu einem schlechten Einkaufsergebnis. Es ist also wichtig, das erkannte Problem möglichst genau zu beschreiben und einen Kriterienkatalog zu erstellen, um die genauen Anforderungen an die gesuchte Lösung (Produkt oder Dienstleistung) zu definieren.

Beim Online-Kauf findet dies oft in Form von Suchmasken und Filtern von Online-Shops statt. In Unternehmen sollte er vom jeweiligen Bedarfsträger durchgeführt und vom Einkauf gesteuert werden. 

Der Wert einer guten Bedarfsspezifikation wird deutlich, wenn man die negativen Folgen einer schlechten Spezifikation vor Augen hat. Stellen Sie sich vor, Sie bekämen anstatt eines Geschirrspülers eine Waschmaschine geliefert. Zwar stimmen Maße und Effizienz des Geräts mit Ihren Anforderungen überein, es erfüllt auch die Grundfunktion „Dinge säubern“, jedoch würde jeder Versuch Ihr Geschirr darin zu säubern fatale Folgen haben. 

In Bezug auf Professional Services bedeutet das: Wenn Sie schon im Voraus Ihren Bedarf oder das Problem nicht gut beschreiben, dann kann es sein, dass die von Ihnen eingekaufte Leistung nicht nur das eigentliche Problem nicht löst, sondern noch zusätzlichen Schaden anrichtet.

Auf die Bedarfsbeschreibung folgt die Suche nach einem geeigneten Dienstleister. Beim Online-Shopping ist es üblich, sich auf Vergleichsplattformen einen Überblick über Eigenschaften unterschiedlicher Produkte zu verschaffen und mit Hilfe von Gütesiegeln eine Vorauswahl der potenziellen Geräte zu treffen. 

Im Vergleich dazu, zeigt die Umfrage von APADUA, dass die Dienstleisterauswahl auf Unternehmensebene kaum systemgestützt abläuft. Heutzutage weisen viele Organisationen eine niedrige Akzeptanzrate für umfassende digitale Lösungen auf. Was auf privater Ebene verbreitet ist, könnte auch auf Unternehmensebene wertsteigernd genutzt werden.

Momentan finden die Identifikation und Bewertung potenzieller Dienstleister oft manuell und wenig standardisiert statt. Dies bedeutet hohen Zeitaufwand und selektive Bewertung einzelner Firmen und Lösungen mit sich. Um den besten Anbieter zu finden, sollten daher Scouting-Fähigkeiten aufgebaut und Prozesse digitalisiert bzw. standardisiert werden. Eine Möglichkeit für einen standardisierten Screening Prozess liefern Pemer & Skjolsvik (2019).

Abb. 4: Best-Practice-Verfahren zur Überprüfung von Anbietern professioneller Dienstleistungen

Vergleichbarkeit? Fast null

Anders als beim Online-Shopping, folgt auf die Dienstleistervorauswahl der RFP-Prozess. Weil sich Problemstellungen in Unternehmen unterscheiden, werden von den Dienstleistern oftmals individuelle Angebote und Lösungsvorschläge angefordert.

Doch ein objektiver Vergleich der unterschiedlichen Angebote und Konzepte bereitet allen befragten Unternehmen Probleme. Nehmen wir an, Sie suchen bei drei Online-Shops nach Ihrem neuen Geschirrspüler. Nehmen wir an, die Eigenschaften weichen hinsichtlich der Leistung, Wasserverbrauch, Effizienz, Geräuschpegel und Außenmaße leicht voneinander ab. Dazukommen unterschiedliche Preise, Liefer- und Garantiezeiten. Wie können diese Angebote vergleichbar gemacht werden? Sie nutzen Vergleichsportale oder Aggregatoren!

Die Lösung im Kontext von Professional Services liegt in der Erstellung einer guten Ausschreibung, in der die Anforderungen an ein Angebot eindeutig definiert sind. Außerdem hilft ein einheitlicher Kriterienkatalog dabei Angebote hinsichtlich qualitativer und quantitativer Merkmale zu bewerten. Eine vorab erstellte Evaluierungsmatrix gewährleistet einen möglichst objektiven Vergleich. Die Matrix kann sich hierbei von Projekt zu Projekt leicht unterscheiden. Eine individuelle Gewichtung von Kriterien ist sinnvoll. Die Entwicklung einer Basisvorlage ist dann geboten, wenn regelmäßig ähnliche Leistungen eingekauft werden.

Anhand dieser Ergebnisse verschaffen sich Unternehmen so ein Bild über die einzelnen Angebote. Vorteil einer standardisierten Bewertung durch mehrere Experten ist, dass kognitive Verzerrungen und subjektive Präferenzen größtenteils eliminiert werden. Dieser Prozess kann digital abgebildet werden.  

Performance Monitoring. Warum eigentlich nicht?

Ist der Dienstleister beauftragt, heißt das nicht, dass das Problem am Ende im Sinne des Kunden gelöst wird (siehe Kundenzufriedenheit). Auftraggeber stellen regelmäßig fest: Ein Projekt läuft so lange gut, bis Ergebnisse geliefert werden müssen, dann werden Probleme sichtbar.

Die Umfrage von APADUA zeigt: Viele Projektteams scheitern daran, Zielabweichung und Risiken frühzeitig zu identifizieren und den Kurs des Projektes bzw. die Leistung des Dienstleisters dann wieder in die richtige Bahn zu lenken. Keines der befragten Unternehmen führt ein kontinuierliches Performance Monitoring seiner Projekte durch.

Auch hier liegt das Beispiel Online-Handel auf der Hand. Regelmäßige Umfragen durch die Händler sind üblich. So gehen sie sicher, dass ihre Produkte und Prozesse gut funktionieren. Gleichzeitig teilen Kunden ihre Einkaufserfahrung in Form von Bewertungen mit anderen Interessenten. Diese Informationen erleichtern potenziellen Kunden die Wahl des besten Anbieters. Händler mit unterdurchschnittlichen Bewertungen müssen nachbessern, um nicht aus dem Markt gedrängt zu werden.

Die Umsetzung eines solchen „Performance Monitoring” ist auch im Bereich Professional Services einfach und erprobt. Dabei werden Leistungsindikatoren (KPI) mit Hilfe regelmäßiger Umfragen noch während der Projektlaufzeit gemessen und die Ergebnisse automatisch geteilt. So wird kontinuierlich ein Stimmungsbild des Projektes erzeugt und Risiken können früh erkannt werden, bevor sie zu Problemen werden

Diese Datenerhebung in Echtzeit liefert Vorteile auf zwei Ebenen: Erstens können so Defizite im Projekt frühzeitig erkannt und adressiert werden. Zweitens helfen diese Informationen dabei, Stärken- & Schwächen einzelner Anbieter aufzudecken, was wiederum die Auswahl des besten Partners für zukünftige Projekte erleichtert.

Same same, but different

Ob Geschirrspüler, Waschmaschine oder Professional Services, es wird klar: Ein strukturierter, digitaler und durchgängig systemgestützter Einkaufsprozess hilft, den besten Anbieter zu finden und so die Erfolgschancen von Projekten zu erhöhen.

Während der Konsument heute selbstverständlich digitale Lösungen in Einkaufsvorgänge integriert, um sie zu entdecken, einzukaufen und zu überwachen, hinkt so manches Großunternehmen noch deutlich hinterher.

Für die Zukunft ist es wichtig, Unternehmen von den Vorteilen systemgestützter Lösungen zu überzeugen und sie dazu zu bewegen, neuen Lösungsanbietern und deren Innovationen Vertrauen zu schenken. So gibt’s am Ende hoffentlich fünf Sterne, auch für den Einkauf von Professional Services.

Quellen

APADUA | Anbieter von Unternehmenslösungen für den Einkauf von Professional Services

WGMB | Akademische Forschungsorganisation für Unternehmensberatung in Deutschland

PwC | Internationales Netzwerk für professionelle Dienstleistungen im Bereich Audit & Consulting

Frida Pemer & Tale Skjølsvik | Autorinnen und Autoren zahlreicher Aufsätze über freiberufliche Dienstleistungen

Koautoren

Gregory N. Vider | Gründer & Geschäftsführer von APADUA

Maximilian Stein | Student an der Universität zu Köln / Senior Analyst bei APADUA