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Vor vier Wochen habe ich einen Artikel über die Bedeutung und die Erfolgsfaktoren des Home Office für Industrieunternehmen veröffentlicht (Link). Wie die Zeit vergeht. Damals sprachen wir noch über mögliche Verordnungen zum privaten und wirtschaftlichen „Shut-Down“. Jetzt zeigt die Krise ihr hässliches Gesicht, und wir alle müssen die soziale Distanzierung nicht nur als eine Frage der Vernunft, sondern auch als eine unvermeidliche Maßnahme für große Teile der Weltbevölkerung akzeptieren.

Auch Unternehmen haben gehandelt. Sie verbieten Besuche von externen Geschäftspartnern und etablierten die Arbeit von zu Hause aus als das neue „Normal“. Eine der Industrien, die am stärksten betroffen sein werden, ist jedoch die Dienstleistungsbranche und insbesondere die Unternehmensberatung. Jahrzehntelang basierte ihr Geschäftsmodell auf persönlicher Anwesenheit – facetime. Nicht die Erfindung von Apple, ich meine den guten alten Handschlag und die Präsenz vor Ort beim Kunden. Das alte Credo blieb bestehen: Kunden zahlen nur die Berater, die sie sehen!

Im Gespräch mit Kunden bei APADUA stellten wir fest, dass viele Beratungsprojekte entweder pausiert oder ganz abgebrochen werden. Auch ihre Pipeline für traditionelle Projekte scheint eingefroren zu sein, ebenso wie ihre Ressourcen. Wir erörterten, welche Arten von Projekten noch durchgeführt werden können und welche Dienstleister auf eine umfassende Fernberatung vorbereitet sind. Um dies besser zu verstehen, identifizieren wir drei Leistungsebenen der Unternehmenberatung:

Wir haben einige Unternehmensbeispiele ausgewählt, die virtuelle Beratung oder Elemente davon anbieten – nicht als Notfallstrategie in Zeiten von Covid19, sondern als Teil ihres Standard-Geschäftsmodell.

Unternehmensberatung – Transformation und Digitalisierung

Unternehmen wie CrowdConsultants in Berlin oder a-connect in Zürich haben auf der Grundlage von Ressourcen aus der Crowd, also weltweit verteilter Experten, erfolgreiche Geschäftsmodelle aufgebaut. Nachdem sie die Grenzen von festen Mitarbeitern und Kompetenzzentren durchbrochen haben, sind solche Unternehmen zu Methodenexperten mit Back-Office-Funktionen für Qualitäts- und Key-Account-Management geworden. Obwohl sie heutzutage nicht vollständig virtualisiert und disruptiv sind, haben sie zur Virtualisierung der Rekrutierung der besten Experten für Kundenanforderungen beigetragen und sind den traditionellen Management-Beratungsfirmen, die auf hohe Auslastungsraten angewiesen sind und ihre Berater nicht gerne „am Strand“ sehen, meilenweit voraus. Traditionelle Beratungsunternehmen, die auf externe Ressourcen zurückgreifen, sind in der Regel nur motiviert, Spitzenbelastungen oder Flexibilitäten ihrer Belegschaft im unteren zweistelligen Prozentbereich abzudecken. Nicht jedoch als Kernmodell.

Trendforschung und Strategie-Benchmarking und andere Studien

Kundenspezifische Forschungsprojekte und Marktstudien sind Dienstleistungsarten, die traditionell keine physische Präsenz beim Kunden erfordern. Während quantitative Forschung, einschließlich Online-Panels oder Umfragen, seit Jahren virtuell ist, haben Unternehmen wie 10EQS oder Duckerfrontier qualitative Forschung, Benchmarking und kundenspezifische Erkenntnisse virtualisiert. Durch die Virtualisierung der Ebene 1 mit externen Fachleuten und Experten haben sie die Frage nach den besten Ressourcen für ein Projekt für sich schon lange beantwortet. Bei solchen Projekten werden die Ressourcen kundenspezifisch aus der Crowd rekrutiert – Juniorberater, Senior Advoisor und führende Industrieköpfe gleichermaßen. Ressourcen der physisch gebundenen Beratung wären nicht in der Lage, auf Anfrage so gezielt und kurzfristig zu liefern. Zweitens haben sie das „Wo“ aus ihrer Gleichung entfernt. Die Ressourcen sind in virtuellen Kollaborationsräumen und Teamzusammenstellungen miteinander verbunden. Dies führt zu flexibleren und skalierbareren Projekten – und zu geringeren Kosten. Nur die dritte Ebene bleibt solide physisch. Die qualitative Arbeit von Benchmarking, Analyse oder Strategieentwurf wird immer noch von menschlichen Gehirnen geleistet.

Von Advanced Analytics zu virtuellen Geschäftsführern

Virtualisierung der eigentlichen Arbeit? Lassen Sie uns über „Robo-Consulting“ sprechen. Immer wenn es um Daten und Analysen geht, denkt man an maschinelles Lernen oder andere Arten der automatisierten Ergebniserstellung. Man kann dieses Konzept leicht verstehen, wenn man sich auf Investitionsstrategien bezieht. Unternehmen wie Bevestor oder Investify übertreffen bereits heute die realen Bank- und Anlageberater. Die Finanzindustrie befindet sich durch FinTech in einem grundlegenden Wandel, der vor zehn Jahren noch undenkbar war. Man könnte sagen, dass komplexe und individuelle Themen wie Management- und Strategieberatung nicht digitalisierbar sind. Wie sagen, es geht doch.

Im engeren Sinne werden künstliche Intelligenzen, fortgeschrittene Analytik oder Szenario-Builder bereits von großen Beratungsunternehmen wie IBM – Watson, Wipro – Holmes oder celonis – Process Mining eingesetzt. Damit haben diese Unternehmen die eigentliche Wertschöpfung der Beratung bereits ersetzt. Die reine Arbeitskraft wird nun durch integrierte Schaltkreise und intelligente Algorithmen ersetzt. Mit Erfolg. Die ungeheure Komplexität der Datenstrukturen in modernen ERP-Systemen, seien es Kunden- oder Lieferantendaten, Produktionsdaten oder auch Szenario-Analysen, kann von menschlichen Gehirnen nicht mehr bewältigt werden.

Selbst die strategische Entscheidungsfindung hat einen hohen Reifegrad der Kommoditisierung erreicht. Fragt man die Partner der großen Strategieberatungsfirmen, so werden sie bestätigen, dass die meisten Strategieprojekte einem bewährten Pfad, einem festen Problemlösungskonzept folgen. Alle mit ihrem kundenspezifischen Touch natürlich. Aber zunehmend skalierbar. Sobald eine ausreichende Anzahl von Szenarien analysiert, bewertet und kategorisiert worden ist, können diese auf verschiedene Unternehmen, Märkte und Regionen skaliert werden. Wie wäre es also mit einem vCEO – einem virtuellen CEO. Kein echter physischen CEO mit guter Internetanbindung, der auf den Kaimaninseln sitzt, seine Post kontrolliert und an Videokonferenzen teilnimmt. Nein, ein Algorithmus, der Muster erkennt, eine unbegrenzte Menge an Erfahrung durch Tausende von Fällen hat und unvoreingenommene Entscheidungen treffen kann.

Ich weiß, dass dieser allerletzte Teil meines Artikels visionärer ist als die heute in großem Maßstab angewandte Technologie. Darüber hinaus ignoriert er bewusst die Notwendigkeit von Emotionen, Kreativität und Mut, die ein menschlicher Geschäftsführer auf seiner Scorecard haben sollte. Wie dem auch sei, ich bin mir bewusst, dass einige Institutionen und innovative Unternehmensgründer hart daran arbeiten, diese letzte Stufe der Virtualisierung zu erreichen. Was – vorläufig – in unseren Händen bleibt, ist die endgültige Entscheidungen zu treffen, wie innovative, virtuelle Beratungskonzepte schnellere und bessere Ergebnisse erzielen können als die traditionelle Beratung.