EinkaufInterviewsNewsProfessional ServicesStakeholder EngagementMaximilian Münchmeyer, Lead Buyer HR und Professional Services bei der KPMG Deutschland
Maximilian Münchmeyer über strategisches Stakeholdermanagement

Vom Schreinergesellen zum Lead Buyer HR und Professional Services bei der KPMG Deutschland: Das ist der berufliche Werdegang von Maximilian Münchmeyer. Auf den ersten Blick haben die Positionen nicht viel gemeinsam, bei genauerer Betrachtung fällt jedoch auf: in beiden Fällen geht es um Menschen und Aufbauarbeit. Und genau das ist es, wofür der gebürtige Rheinländer brennt.

Doch der Reihe nach: Im Anschluss an seine Schreinerlehre wechselte Maximilian Münchmeyer zur Zurich Gruppe und betreute dort zunächst den internationalen strategischen Einkauf von Learning Systemen auf Fachseite. In seiner Funktion als Group Learning and Development Vendor Manager hat er sowohl den L&D Bereich IT-seitig mit aufgebaut als auch die internationalen L&D-Vendoren betreut. Der Startpunkt für die steile Einkaufskarriere war gelegt.

Es folgten weitere Stationen als Senior Sourcing Specialist bei PwC und Catgeory Manager EPS HR bei der Zurich Gruppe, in denen er nicht nur sein Faible für Personal- und Teamentwicklungsthemen einbringen konnte, sondern vor allem sein Know-how in den Bereichen Supplier Management, Sourcing und Stakeholder Engagement. Heute ist Max Lead Buyer Professional Services und HR bei der KPMG AG und zusammen mit seinem Team stemmt er alle Verträge von IT-Beratung bis Temp Labor.

Wie es Einkaufsabteilungen gelingt, die internen Bedarfsträger frühzeitig für eine proaktive Zusammenarbeit zu begeistern, worauf bei globalen IT-Sourcingprojekten zu achten ist und inwiefern die Finger in allem drin zu haben mit der Rolle des Einkaufs bei der Ausschreibung und Vergabe von Projekt- und Beratungsdienstleistungen zusammenhängt, erläutert der Trinkgeldrekordhalter von Bonns ältester Studentenkneipe im Interview.

apadua: Ahoi, Max und herzlich Willkommen bei „Butter bei die Fische“. Wir starten unsere Ausflugsfahrt mit vereinten Kräften: Wenn du dir eine Superkraft aussuchen könntest, welche wäre es und warum?

Maximilian Münchmeyer: Puh, jetzt habt ihr mich erwischt (lacht). Ich hätte gerne mehrere Superkräfte. Eine davon wäre, acht Arme zu haben. Das hätte den Vorteil, dass ich viel schneller tippen könnte – und vor allem meine Finger überall im Spiel hätte. Der Einkauf ist entgegen mancher Annahme eben nicht nur mit dem Prozessieren von BANFen oder Compliance-Themen beschäftigt. Vielmehr eröffnen sich im Einkauf unheimlich viele Chancen und wahnsinnig viele interessante Aufgaben, wenn man sich sein eigenes Standing im Unternehmen erarbeitet hat.

Die Bandbreite reicht von der App-Entwicklung über strategische Beratung bis hin zu streng geheimen Entwicklungsprojekten. Das alles parallel zu betreuen – ohne dass die Qualität darunter leidet – erfordert Fingerspitzengefühl und Schnelligkeit. Wo wir im Übrigen bei meiner zweiten Wunsch-Superkraft wären: turbo speed. Kombiniert mit den acht Armen könnte das richtig spannend werden. Wahrscheinlich bliebe sogar noch Zeit für ein wöchentliches Laufziel.

„Hat sich die Einkaufsabteilung ihr Standing im Unternehmen erst einmal erarbeitet, bieten sich unglaublich viele Chancen und eine wahnsinnige Bandbreite spannender Projekte.“

Zurück zur Realität: In vielen Unternehmen wird die Einkaufsabteilung noch immer als Relais eingesetzt bzw. wahrgenommen. Eine Schaltstation, die von Impulsen gesteuert wird. Mit all den damit verbundenen unzähligen Prozessen und Anforderungen. Ich sehe eine Herausforderung von Einkaufsabteilungen darin, internes Beziehungsmanagement zu betreiben und sich durch effektive Kommunikation und das Feiern von Erfolgen als aktiver Knotenpunkt im unternehmenseignen Netzwerk zu etablieren.

Die Transformation gelingt natürlich nicht von heute auf morgen und erfordert auf der prozessualen Ebene verbindliche Vorgaben in Form von Einkaufsrichtlinien, die von den Vorständen und dem Management unterzeichnet sind. Freedom within a Framework funktioniert bei Kindern und in Konzernen. Wenn ich die Richtlinien kenne, fällt es mir leichter, sogar spielerisch mit ihnen umzugehen.

„Eine der größten Herausforderungen von Einkaufsabteilungen liegt darin, internes Beziehungsmanagement zu betreiben und sich durch effektive Kommunikation und das Feiern von Erfolgen als aktiver Knotenpunkt im unternehmenseignen Netzwerk zu etablieren.“

Abgesehen davon sind wichtige Faktoren für einen gelungenen Change-Prozess im Einkauf – also hin zu wirklichem Mehrwert – aus meiner Sicht fachliches Know-how, Markt- und Insiderwissen, Menschenkenntnis und ein Gespür für Zwischenmenschliches. Aber auch Automation von Beschaffungsprozessen.

Hat man es als Einkäufer geschafft, zum ersten Projektmeeting – bzw. bei Aufkommen des Bedarfs –, eingeladen zu werden, ist es als gut vernetzter Knotenpunkt ein leichtes, rechtzeitig dafür Sorge zu tragen, dass die IT-, Rechts-, Datenschutz, Betriebsrats und andere, für das Projektvorhaben relevante Abteilungen mit an Bord genommen werden.

Das spart nicht nur wertvolle Zeit und verhindert Kommunikationsschleifen, sondern fördert auch die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit. Und zwar sowohl im aktuellen Projekt als auch bei zukünftigen Projektvorhaben – besser mal anrufen als Mails schreiben!

In dem beschriebenen Setting besteht meine Funktion als Einkäufer dann darin, zwischen den Fachabteilungen zu vermitteln, die Bedarfe zu koordinieren und die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit zu unterstützen – fachlich wie auch prozessual. Und hier schließt sich der Kreis zum achtarmigen Supertypen, der, wenn ich es so betrachte, gar nicht weit entfernt von meiner tatsächlichen Rolle ist (lacht).

apadua: Welche bisherige Berufserfahrung hat Dich besonders geprägt und inwiefern hat sich Deine Arbeitsweise daraufhin verändert?

Maximilian Münchmeyer: Ich habe einen bunten Lebenslauf und mein Erfahrungsschatz beschränkt sich nicht nur auf meine Tätigkeit als Einkäufer. Es gibt für mich nicht die eine Erfahrung, die mich und meinen beruflichen Werdegang beeinflusst hat, sondern einen bunten Blumenstrauß an prägenden Erlebnissen, die zusammengefasst in der Erkenntnis münden, dass es sich tatsächlich meist um lebenslanges Lernen dreht. Jede Erfahrung, jede Begegnung, jeder Wechsel, jede Reise – all das hat mich in meiner beruflichen wie auch persönlichen Entwicklung vorangebracht.

So habe ich quasi am eigenen Leib erfahren, dass ich in einigen Bereichen noch Entwicklungspotential habe. Dass interne Kommunikation und das Umsetzen neuer Prozesse nicht mit einer Info im Intranet erledigt sind – nach dem Motto: „Steht doch alles da“. Und dass es manchmal die ganz profanen Dinge sind, die man als ‚Super Brainiac‘ nicht draufhat. Sich hinterfragen, sich schulen lassen und trainieren hilft.

„Mit der Compliance-Peitsche ausgestattet in Termine zu gehen, zahlt eher nicht aufs Beziehungskonto ein. Pragmatismus – gerade im Einkauf – ist aus meiner Sicht der Hebel zum Erfolg.“

Eine weitere Erkenntnis ist die Wichtigkeit von Pragmatismus. Wenn ich als Einkäufer mit der Compliance-Peitsche in die Termine gehe, mache ich mir wohl eher keine Freunde. Höre ich hingegen aktiv zu, glänze mit Kenntnissen über die Themen der Fachabteilungen und bin ich Innovationen gegenüber offen eingestellt, kann ich als Einkäufer wirklichen Mehrwert liefern – und zwar auf Augenhöhe.

Nun ist es ja so, dass Innovationen mit Umstellungen einhergehen – und das bedeutet in der Regel, dass neue Prozesse etabliert werden, was zuerst einmal Abneigung hervorruft. Wenn man sich nun aber traut, häufiger mal sein sicheres Refugium zu verlassen – und dazu gehört für mich sich näher an die engen Grenzen heranzutrauen und pragmatisch mit ihnen umzugehen– eröffnen sich völlig neue Wege und Chancen.

apadua: Welches Projekt ist dir auch Jahre später noch im Gedächtnis geblieben und was war so besonders daran?

Maximilian Münchmeyer: Ich habe das große Glück, dass ich in sich entwickelnden Einkaufsorganisationen sozialisiert wurde. Mit allen Vor- und Nachteilen, die so ein Umbruch mit sich bringt. Man kann unglaublich viel bewegen und Mehrwert für das ganze Unternehmen schaffen. Das gibt mir Raum, mich auf der fachlichen und strategischen Ebene einzubringen, Menschen zu vernetzen und zugleich in einem abgesteckten Rahmen neue Ideen zu entwickeln und umzusetzen.

Eines meiner bisher coolsten Projekte war die Mitarbeit an einem Diversity- und Inklusionsprogramm. Mein Part bestand darin, das Onboarding von auticon, einem IT-Dienstleistungsunternehmen, das Menschen im Autismus-Spektrum als IT-Consultants einsetzt, als neuen globalen Rahmenvertragspartner zu betreuen bzw. ‚die Innovation‘ zu pushen.

„Wenn ich meinen Job als Einkäufer für Beratungs- und IT-Dienstleistungen gut mache, kenne ich im Laufe der Zeit die relevanten Stakeholder im Unternehmen und bekomme ein Gefühl dafür, was das Unternehmen als Ganzes – und die Fachabteilungen im Speziellen – bewegt.“

Das beinhaltete auch, den neuen Service intern mit dem gesamten Leadership Team via TeamsCall zu teilen, sie hinsichtlich des neuen Angebots zu beraten und so dafür zu sorgen, dass sie sich an das neue Angebot herantrauen. Da konnte ich national und international echt viele Leute zusammenbringen und mich dadurch indirekt in neue Entwicklungsprojekte rein sneaken.

Wenn ich meinen Job als Einkäufer für Beratungs- und IT-Dienstleistungen gut mache, kenne ich im Laufe der Zeit die relevanten Stakeholder im Unternehmen und bekomme ein Gefühl dafür, was das Unternehmen als Ganzes – und die Fachabteilungen im Speziellen – bewegt. Ich kenne den Markt und die Preise und weiß, was welche Dienstleistung kosten darf und an welcher Stelle ich nachverhandeln kann oder sollte.

„Der Schlüssel zum Erfolg liegt im konsequenten Austausch mit den Fachabteilungen und den strategischen Partnern. Und zwar nicht nur, um den Kontakt zu halten, sondern vor allem, um das Feedback der Fachbereiche aktiv einzuholen.“

Mitten in der Pandemie standen beispielsweise immer noch 15 % Nebenkosten unter den Angeboten der Dienstleister – was dem Fachbereich nicht aufgefallen war, denn „das stand da eben schon immer“. So Kleinigkeiten wie das Rausverhandeln von Reisekosten bei Remote Work machen einen schnell zu einer gefragten Person (lacht).

Schließlich und endlich liegt der Schlüssel zum Erfolg im konsequenten Austausch mit den Fachabteilungen und den strategischen Partnern. Und zwar nicht nur, um den Kontakt zu halten, sondern vor allem, um das Feedback der Fachbereiche aktiv einzuholen und die sich hieraus ergebenden Bedarfe und Anforderungen – auch an künftige Projekte – richtig zu verstehen. So arbeiten zu dürfen ist das, was für mich die Tätigkeit im Einkauf so wertvoll macht. Insbesondere im Einkauf von Professional Services.

apadua: Mit welchen drei Begriffen würdest Du den Professional Services Einkauf der Zukunft beschreiben?

Maximilian Münchmeyer: Ich bin lange Zeit dem Credo meines European Head of Procurement gefolgt: “Transparency, Quality, Pricing”. Aber das funktioniert heutzutage nicht mehr so einfach, weil ein höherer Preis nicht automatisch zu mehr Qualität führt und ich andererseits nicht so einfach konsolidieren kann, da der Markt an Leistungsträgern heute wirklich knapp ist.

Eine große Herausforderung besteht aktuell darin, die passenden Experten für sich zu gewinnen – damit meine ich sowohl festangestellte Mitarbeiter über Recruiting-Agenturen als auch projektbezogene Externe. Denn auch die Lieferanten straucheln und haben damit zu kämpfen, die vielen offenen Stellen adäquat zu besetzen – wir sind nicht allein auf dem Markt.

„Gerade in Zeiten der Digitalisierung, also der omnipräsenten Verfügbarkeit von Daten, sollte es ein Einfaches sein, Transparenz herzustellen.“

Ein weiterer wichtiger Punkt ist Transparenz. Und zwar dahingehend, wie der Preis zustande kommt und ob der angebotene Preis mit der angebotenen Leistung übereinstimmt. In Zeiten der Digitalisierung und der steten Verfügbarkeit von Daten sollte es ein Einfaches sein, Transparenz herzustellen. Das fängt bei den Senioritäten an, geht über die Skills und Nebenkosten bis hin zur – auf den ersten Blick nicht ersichtlichen – Beauftragung weiterer Subunternehmer.

Aktuell bekomme ich beispielsweise von einigen Partnern Steigerungen von >28% vorgelegt; von anderen keine Preissteigerung. Das heißt nicht, dass die einen doof sind, weil sie nicht rechtzeitig in der Inflation erhöhen. Es kann auch heißen, dass die anderen immer schon geguckt haben, dass Ihre Preise aktuell sind und sie eben jetzt in die gute Zusammenarbeit investieren – und nur wenig erhöhen müssen.

Zusammengefasst formuliert bin ich für mehr Transparenz im Einkauf von Professional Services – einhergehend mit einer Professionalisierung im Umgang mit den anfallenden Daten und einer nachhaltigen Strategie, die Daten gewinnbringend zu nutzen.

apadua: Das letzte Wort gehört dir: was Sie uns schon immer einmal sagen wollten, …

Maximilian Münchmeyer: Tiny Home Living funktioniert mit Kleinkindern nicht (uneingeschränkt). Und: Zweimal umziehen ist wie einmal abbrennen (lacht).

„Weniger Ballast ist befreiend – so sollte man sich auch Einkaufsprozesse angucken (lacht)!“

Meine Frau und ich haben uns kürzlich einen alten Bauernhof gekauft, den wir gemeinsam sanieren. Aktuell leben wir in zwei Wohncontainern, die auf dem Hof stehen. Fast unser gesamter Hausstand ist in Kisten verpackt auf dem Speicher eingelagert. Ehrlicherweise vermisse ich fast nichts davon – und habe bisher auch nichts aus den Kartons gebraucht. Insofern könnte ich die Sachen wahrscheinlich auch einfach wegschmeißen oder so wie sie sind aufs Feuer werfen, wären da nicht noch die Küchenutensilien und Stehrümmchen, die man nachher vielleicht doch vermisst.

Für mich bleibt das Learning: weniger Ballast ist befreiend – so sollte man sich auch Einkaufsprozesse angucken (lacht)!

Zur Person:

Im Studium hielt Maximilian Münchmeyer den Trinkgeldrekord in seiner Stammkneipe. Heute ist er verantwortlich für die Beschaffung von Professsional Services und HR bei der KPMG Deutschland: er bringt noch immer Menschen zusammen und liebt es, auch ungewöhnliche Wünsche zu erfüllen.

Sein Abi hat Max nicht direkt nach der Oberstufe gemacht, dafür wurde er beim Bund für sein stets dienstfreudiges Gesicht gelobt. Außerdem hat er für das anschließende Fachabi mit Fachrichtung Gestaltung eine Vase verliehen bekommen. Nach seiner Schreinerlehre studierte er BWL mit Schwerpunkt HR-Management und hat u.a. Events für 10.000 Menschen veranstaltet, im Internationalen Projektmanagement einer Versicherung gearbeitet, für PwC europaweit ausgeschrieben, bei der Zurich Gruppe den Indirekten Einkauf mit aufgebaut und ist seit Kurzem Lead Buyer bei KPMG.

Max ist verheiratet und Vater zweier Kinder. Alle zusammen sanieren einen Bauernhof in der Nähe von Köln.