Einkaufelektronische BeschaffungInnovationInterviewsNewsProzessautomatisierungHeinz Schäffer, Einkaufstrainer, Coach und Autor für Fachartikel, im Interview mit apadua
Dr. Heinz Schäffer über den Einkauf als strategischer Erfolgsfaktor

Heinz Schäffer ist ein Urgestein des Einkaufs. Den Grundstein für seine berufliche Laufbahn im Einkauf legte der promovierte Informatiker beim Telekommunikations-Hersteller Alcatel im Jahre 1998 mit der Einführung von Buy Direct. Eines der ersten e-Procurement Systeme in Deutschland.

Ausgehend von seinen Erfahrungen aus der vorangegangenen Rolle als IT-Verantwortlicher begleitete Heinz Schäffer die Einführung dieser innovativen Einkaufslösung einhergehend mit der Umgestaltung bzw. Neugestaltung der internen Abläufe und der organisatorischen Verantwortung.

Sein Augenmerk galt und gilt insbesondere der Standardisierung und Automatisierung von Prozessen. Wobei der Blick stets darauf gerichtet ist, Gemeinsamkeiten zu finden, Fallunterscheidungen zu meiden und stattdessen klare Strukturen festzulegen.

Ein Ansatz, den Heinz Schäffer auch nach seinem (Branchen-)Wechsel zur AXA weiterverfolgte. Als Chief Procurement Officer des Finanzdienstleisters war er unter anderem für den Aufbau der Einkaufsabteilung in Deutschland, Belgien, Schweiz, Ungarn, Ukraine und weiteren osteuropäischen Ländern verantwortlich.

Gerade die Verbindung aus IT- und Einkaufs-Know-how führte Heinz Schäffer letztlich zur Wüstenrot & Württembergischen, bei der bis zu seinem Eintritt in den Vorruhestand Ende 2022 das Einkaufs-Management & den IT-Einkauf leitete. Als Einkaufstrainer und Coach gibt er nun seinen Erfahrungsschatz an die nachfolgenden Generationen weiter.

Inwiefern der gemeinsame Weg zum Ziel bestehende Silos auflösen kann und wie die Fachabteilungen für die Tools und Themen des Einkaufs sensibilisiert werden können, berichtet der gebürtige Schwabe im Interview.

apadua: Ahoi, Herr Schäffer und herzlich Willkommen bei „Butter bei die Fische“. Wenn Sie auf Ihr 30-Jähriges Ich zurückblicken, welche Tipps würden Sie Ihrem jüngeren Selbst – oder auch der nachfolgenden Einkaufs-Generation – mit auf den Weg geben?

Heinz Schäffer: In Kürze: Eine gute Planung ist der Sieg des Einfalls über den Zufall. Wie bei vielen Dingen im Leben ist es auch im Job wichtig, bereits bei der Planung viele Meinungen anzuhören. Und eben nicht wie im Tunnel den einen Weg nach außen zu verfolgen.

„Eine gute Planung ist der Sieg des Einfalls über den Zufall.“

Mein erster – und wichtigster – Tipp lautet daher, Mitstreiter für die Sache zu suchen und sie als Unterstützer zu gewinnen. Um dann gemeinsam im Team Lösungen inkl. Alternativen zu erarbeiten und die internen Sponsoren im Boot zu behalten. Denn dann kann auch der Erfolg gemeinsam gefeiert werden!

apadua: Was war das herausforderndste Projekt in Ihrer beruflichen Laufbahn und wie haben Sie es gemeistert?

Heinz Schäffer: In der Tat gab es ein Einkaufs-Projekt, bei dem inhaltlich zwar alles richtig gemacht wurde, allerdings ist das Projekt innerhalb des Unternehmens – mit Ausnahme der Einkaufsabteilung – nur auf Widerstand, Ablehnung und viele Irritationen gestoßen. Wir hatten schlichtweg den Wandel – neudeutsch das Change-Management – vergessen.

„Ein durchdachtes Change-Management-Konzept ist genauso erfolgskritisch wie die inhaltliche Planung und Ausgestaltung eines Projekts.“

Mit Unterstützung des gesamten Vorstands konnten wir nach dem Roll-Out die betroffenen Kolleginnen und Kollegen von den Stärken des neuen Ansatzes überzeugen, sodass wir mit einem zeitlichen Versatz von zwei bis drei Jahren den Erfolg in der Breite eingefahren haben.

Während der Transition galt es, die Teammitglieder im Einkauf kontinuierlich an Bord zu halten, sie zu ‚entfrusten‘ und gleichzeitig das Projekt weiterzuentwickeln, um so die Potentiale aufzeigen zu können. Eine nicht immer einfache Herausforderung, die viel Fingerspitzengefühl und Verständnis füreinander sowie eine klare Kommunikation und Durchhaltevermögen erforderte.

apadua: Wie würden Sie die Zukunft des Einkaufs von Professional Services beschreiben?

Heinz Schäffer: Der Kauf von Materialien an sich rückt in den Hintergrund. Stattdessen wird es immer wichtiger, Materialien inkl. der dazugehörigen Dienstleistung zu beschaffen. Also z.B. die Ware in der richtigen Qualität zum richtigen Zeitpunkt an die richtige Lokation zu liefern und diese Dienstleistung zuverlässig zu erbringen.

Von daher liegt der Fokus künftig darin, die erforderlichen Services zusätzlich zu den Materialien beschreiben zu können, um gute Partnerschaften zu identifizieren und zu entwickeln. Auf die umfassende Beschreibung der Anforderungen, die eben nicht nur in Form von Material vorliegen, folgt das umfassende Einholen und Bewerten der Angebote.

Mit umfassend meine ich in diesem Zusammenhang, dass neben der Leistungsfähigkeit der möglichen Lieferanten insbesondere die angebotenen Leistungselemente vollständig, transparent und somit auch objektiv zu bewerten sind.

Diese Objektivität zeigt sich v.a. durch Nachvollziehbarkeit, sodass ein unabhängiger Dritter schnell und leicht erfassen kann, warum letztlich genau dieser eine Lieferant den Zuschlag bekommen hat.

„Professional Services sollte nicht nur auf die Dienstleistung der externen Partner beschränkt sein, sondern auch der Einkauf selbst sollte sich als professioneller Dienstleistungspartner seiner internen Kunden verstehen.“

Außerdem sehe ich die Bewertung der Lieferantenperformance als weitere wichtige Aufgabe des Einkaufs an. Und zwar nicht nur KPI-basiert, sondern vor allem auch hinsichtlich der Zusammenarbeit zwischen den Lieferanten und den internen Stakeholdern.

Mit Professional Services sollte nämlich nicht nur die Dienstleistung der externen Partner gemeint sein, sondern auch der Einkauf selbst sollte sich als professioneller Dienstleister seiner internen Kunden verstehen. Hier ist Sorgfalt gefragt, für die entsprechend Zeit bereitgestellt sein muss.

Die Zukunft des Einkaufs von Professional Services liegt somit in der erforderlichen Dokumentation dessen, was gebraucht wird, einem strukturierten Vorgehen zur Bewertung und zum Vergleich von Angeboten und in der Konzeption einer Implementierungsstrategie, wie der Service letztendlich auf die Straße gebracht werden soll.

apadua: Das letzte Wort gehört Ihnen: Was Sie uns schon immer einmal sagen wollten, …

Heinz Schäffer: Die Einkaufsfunktion ist keine reine Umsetzungsfunktion, sondern muss vielmehr als Gestaltungsfunktion wahrgenommen und gelebt werden.

Aus meiner Sicht ist dies eine der Hauptaufgaben moderner Einkaufsorganisationen, gerade weil die Einkäufer heutzutage sehr stark reglementierenden Einkaufs-Policies, also Regeln, Vorschriften und Ausführungsplänen unterliegen, die wenig Spielraum für Gestaltung lassen.

„Ich plädiere dafür, den Einkauf als Vertrieb nach innen zu sehen, als unternehmensinterne Marketing-Abteilung und auch als internes Business Development.“

Wenn man aber alles in Regeln packen könnte, wäre die Aufgabe auch von einem Roboter zu erledigen und Mitarbeitende wären dann überflüssig. Von daher plädiere ich dafür, den Einkauf als Vertrieb nach innen zu sehen, als interne Marketing-Abteilung und auch als internes Business Development.

Dies bedeutet auch, dass die neue Einkaufsgeneration eine entsprechende Wertschätzung erfährt und angemessen honoriert werden muss. Dann erst entsteht ein echter Nutzen für alle. Diesen Wandel möchte ich gerne unterstützen und vorantreiben.

Ade & Good Buy!

Zur Person

Nach dem Studium der Informatik und Betriebswirtschaftslehre an der Universität Stuttgart und Promotion in Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hohenheim war Dr. Heinz Schäffer u.a. Leiter Allgemeiner Einkauf bei Alcatel Deutschland, Geschäftsführer eines Beratungsunternehmens im SAP-Umfeld mit Schwerpunkt Prozesse und Internet-basierender Transaktionen und CPO der AXA Deutschland, Belgien, der Schweiz und Osteuropa.

Zuletzt leitete Dr. Schäffer das Einkaufsmanagement bei der W&W Service GmbH, dem zentralen Service-Dienstleister der Wüstenrot & Württembergische-Gruppe.

Dr. Schäffer ist Mit-Gründungsinitiator des e-Katalogstandards „BMEcat“ sowie Gründungsmitglied der BME-Fachgruppe „Finanzdienstleister“ und Referent bei diversen Seminaranbietern und Hochschulen in Deutschland und Österreich.

Außerdem schreibt er Fachartikel für wissenschaftliche Publikationen. Zuletzt erschienen ist sein Beitrag „Dimensionen der Agilität und Unterstützung zur Ausgestaltung im Einkauf“ im Sammelband „Einkauf und Supply Chain Management“ von Ronald Bogaschewsky.