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Frank Sundermann über die Neuausrichtung des Einkaufs

„Fakten statt Folien“ – so lautet das Motto von Frank Sundermann. Und dies zieht sich wie ein roter Faden durch die berufliche Laufbahn des 2,05 Meter großen Rugby- und Basketball-Fans. Nach mehreren Jahren in der Industrie gründete er 2010 die auf den Einkauf und Supply Chain spezialisierte Unternehmensberatung Durch Denken Vorne Consult.

Hier entwickelt der studierte Wirtschaftsingenieur u.a. kundenspezifische Konzepte, um dem Fachkräftemangel im Einkauf proaktiv zu begegnen. Aber auch ein klassisches Warengruppenmanagement sowie Einsatzmöglichkeiten von KI – u.a. ChatGPT sowie weitere KI-Tools – gehören zu seinem Schwerpunktbereich.

Welche hard und soft Skills die ‚neue Einkaufsgeneration‘ auszeichnet, wie es gelingt, die Fachabteilungen frühzeitig für die Tools & Themen des Einkaufs zu sensibilisieren und inwiefern der gemeinsame Weg zum Ziel bestehende Silos auflösen kann, berichtet der leidenschaftliche Lakritzesser im Interview.

Ahoi, Frank, und herzlich Willkommen bei „Butter bei die Fische“. Ein bekanntes Seefahrer-Motto lautet „Hold fast“. Wie heißt dein persönlicher Leitspruch bzw. was motiviert Dich?

Frank Sundermann: Mein Leitspruch ist „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott“. Damit bin ich persönlich sehr gut durchs Leben gekommen. Aber dieser Leitspruch kann auch für den Einkauf gelten, der – unabhängig von Gott und Glaube – selbst seine Herausforderungen aktiv anpacken muss und nicht darauf vertrauen sollte, dass die Geschäftsführung auf ihn zukommt.

„Der Einkauf muss selbst seine Herausforderungen aktiv anpacken und sollte nicht darauf vertrauen, dass die Geschäftsführung auf ihn zukommt.“

Was sind deine drei Best Practices gegen den Fachkräftemangel im Einkauf bzw. an welchen Stellschrauben sollten die Unternehmen Deiner Meinung nach als Erstes drehen?

Frank Sundermann: Die erste Maßnahme ist, die bestehenden Mitarbeiter für die zukünftigen Herausforderungen zu qualifizieren. Mit LkSG, CO2 oder KI kommen Themengebiete auf die Einkäufer zu, mit denen sie vorher nichts zu tun hatten. Wir bieten inzwischen über 30 Trainings, um hier mit pragmatischen Ansätzen praxisbasiertes Wissen zu vermitteln, das direkt angewandt werden kann.

Der zweite Punkt ist die Qualifizierung von Quereinsteigern. Aktuell verlangen die Einkäufer horrende Gehälter, wenn sie wechseln wollen. Da kann es weitaus attraktiver sein, Quereinsteiger von intern oder extern in den Einkauf zu holen und diese über ein Basistraining fit zu machen.

„Angesichts des aktuellen Gehaltsniveaus im Einkauf kann es weitaus attraktiver sein, Quereinsteiger von intern oder extern in den Einkauf zu holen und diese über ein Basistraining fit zu machen.“

Zu guter Letzt liegt in der Automatisierung des Einkaufs eine enorme Hebelwirkung. Wenn die Unternehmen nicht mehr Personal bekommen, dann müssen sie sich JETZT Gedanken machen, wie die Einkaufsprozesse zu automatisieren sind. Robotic Process Automation (RPA) bietet dort heute schon großartige Möglichkeiten.

Worin siehst du den größten Nutzen von KI-basierten Tools wie ChatGPT für die moderne Einkaufsorganisation und welche Risiken gilt es zu beachten?

Frank Sundermann: Der Nutzen von ChatGPT liegt zum einen in der höheren Produktivität: Mit dem digitalen Assistenten sind Lieferantenanschreiben im Handumdrehen erstellt. Ebenso wie Bestandsanalysen in Excel, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Zum anderen steigert ChatGPT die Qualität meiner Arbeit. Ich kann die KI z.B. zur Vorbereitung von Verhandlungsargumenten nutzen, die ich nicht unmittelbar vor Augen habe. Gleiches gilt bei Bilanz- oder Vertragsanalysen. Es ist Wahnsinn, was ChatGPT schon alles bietet.

„Der größte Nutzen von ChatGPT liegt in der höheren Produktivität und der Qualitätssteigerung. Insofern geht es meiner Ansicht nach um einen Mind Change, ChatGPT nicht als Risiko, sondern als Chance anzuerkennen.“

Bezüglich der Risiken wie z.B. Datenschutz kann ich sagen, dass es heutzutage schon Lösungen gibt, die das Verwenden von eingegebenen Daten zu Trainingszwecken vermeidet oder den DSGVO-konformen Umgang damit sicherstellt. Es geht vielmehr um einen Mind Change, ChatGPT nicht als Risiko, sondern als Chance anzuerkennen. Das Glas halb voll zu sehen, ist nicht immer die Stärke der Deutschen.

Mit welchen drei Begriffen würdest du den Professional Services einkauf der zukunft beschreiben?

Frank Sundermann: Die drei wesentlichen Stichworte, die mir zum Einkauf der Zukunft im Allgemeinen einfallen sind: digital, menschlich, unkonventionell.

  • Bedingt durch den erwähnten Fachkräftemangel als auch zur Steigerung der Produktivität müssen wir eher heute als morgen den digitalen Weg einschlagen. Und damit meine ich nicht die Einführung von SAP S4/HANA oder die automatische AB-Verarbeitung. Das ist zu wenig. Von eProcurement über Predictive Analytics bis hin zu Negotiation Bots gibt es dort noch viele weitere Felder, die anzugehen sind, damit das Einkaufsteam der Zukunft auch schlagkräftig ist.
  • Das Stichwort „menschlich“ mag jetzt vielleicht erstmal irritierend klingen, wenn ich vorher „digital“ gesagt habe. Aber wenn ich viele repetitive Aktivitäten digitalisiere und automatisiere, dann ist bei den verbleibenden Aufgaben, wie z.B. komplexe Verhandlungen mit A-Lieferanten, Zusammenarbeit mit internen Kunden oder akuten Versorgungsengpässen, umso mehr Fingerspitzengefühl bei den Einkäufern gefragt. Deswegen empfehle ich meinen Kunden auch, nicht nur fachliche Weiterbildung bei den Mitarbeitern zu fokussieren, sondern auch die persönliche Weiterentwicklung, wie zum Beispiel ein begleitendes Coaching, welches wir seit 2 Jahren anbieten, zu unterstützen.

Wenn viele repetitive Aktivitäten digitalisiert und automatisiert werden, dann ist bei den verbleibenden Aufgaben, wie z.B. komplexe Verhandlungen mit A-Lieferanten, Zusammenarbeit mit internen Kunden oder akuten Versorgungsengpässen, umso mehr Fingerspitzengefühl bei den Einkäufern gefragt.“

  • Und last, but not least zeichnet den Einkauf der Zukunft aus, dass er nicht wie ein Old School Einkauf mit Daumenschrauben und Druck arbeitet wie zu besten Lopez-Zeiten. Er wird dann punkten, wenn er überlegt, was dem Lieferanten weiterhilft. Und nicht, wie er ihn fertigmacht. Da dürfen auch unkonventionelle Wege, wie die Bereitstellung von eigenen Lean-Experten oder die Nutzung des eigenen ausländischen Lieferantennetzwerkes durch den Partner, gegangen werden.
Das letzte Wort gehört dir: Was du uns schon immer einmal sagen wolltest, …

Frank Sundermann: “Schaut mehr Rugby!“ Das ist ein toller Teamsport, in dem es gehörig zur Sache geht, aber insgesamt weitaus fairer miteinander umgegangen wird als beim Fußball. Auch gibt es dort kein Lamentieren der Spieler beim Schiedsrichter.

„Hört auf, euch zu beklagen, sondern akzeptiert die Rahmenbedingungen und stellt euch dafür neu auf. So bringt man das Rugby-Ei ins Malfeld.“

Das sollte auch für den Einkauf gelten. Kein Beklagen der Situation, sondern die Rahmenbedingungen akzeptieren und sich dafür neu aufstellen. So bringt man das Rugby-Ei ins Malfeld.

Zur Person

Frank Sundermann ist verheiratet und hat aktuell zwei pubertierende Kinder. Neben seinem Unternehmen „Durch Denken Vorne Consult“, welches seine Frau gerne als drittes Kind bezeichnet, engagiert sich der 51-jährige Wirtschaftsingenieur im regionalen VDI-Arbeitskreis Wertanalyse sowie als Trainer bei verschiedenen Weiterbildungsträgern.

Dem fortgeschrittenen Alter Tribut zollend liegen seine Freizeitaktivitäten nicht mehr bei Basketball oder Rugby, sondern Joggen und Mountainbiken.

Über Durch Denken Vorne Consult

Durch Denken Vorne Consult ist eine Unternehmensberatung, die ihren Schwerpunkt im Einkauf, der Suply Chain und der Digitalisierung hat. Mit unkonventionellen und pragmatischen Methoden unterstützt sie damit meist mittelständische Unternehmen durch Beratung, Weiterbildung oder Interimsmanagement.

Mit den beiden weiteren Beratungen EINWERK und Günzel Consulting bildet Durch Denken Vorne Consult die Procurement Excellence Group.

Weitere Informationen dazu gibt es unter www.durchdenkenvorneconsult.de und www.pegroup.info.